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Der Rest vom Fest

Es ist kaum zu übersehen: Weihnachten ist vorbei. Die Beleuchtung von Häusern, Wohnungen, Fenstern, Bäumen u.ä. wird langsam weniger und Lebkuchen, Spekulatius und Schoko-Weihnachtsmänner sind nahezu komplett aus den Supermärkten verschwunden. Die Spenden-Marathons und -Galas sind vorbei und die Weihnachtsbaum-Verkaufsstände haben ihre Baustellen-artigen Gitterwände abgeräumt.

Derzeit auffälligstes Zeichen für das abgeschlossene Weihnachtsfest sind aber die unzähligen Weihnachtsbäume, die an Wegen, Toreinfahrten und größeren Sammelplätzen ihrem nahen und dann endgültigen Ende entgegensehen. Begleitet werden Sie von Millionen, ach was red schreib ich, Milliarden Tannennadeln, die überall rumliegen und die Gehwege erscheinen lassen, als hätten hier Tannen-Liebhaber Hochzeit gefeiert, bei der die Blumenkinder Tannennadeln streuen mussten.

Wenn man sich die totgeweihten Tannenbäume genauer ansieht, stellt man fest, dass nicht jeder Baum gleich ist. Es gibt große und kleine (in Hannover muss man Bäume für die Abholung eigentlich auf max. 1,20m kürzen – das macht nur fast keiner), buschige und struppige, schlanke und ausladende, hell-, mittel- und dunkelgrüne sowie kahle, braune und schwarze Bäume.

Besonders spannend fand ich aber die folgenden Exemplare:

  1. Der Angesengte: Hier scheint der Baum (und somit auch sein Besitzer) einem recht heißen Schicksal entgangen zu sein. Leicht schwarze Nadeln und Astspitzen zeugen von einem oder mehreren unbeobachteten Momenten im Weihnachtszimmer sowie davon, dass die schmückende Person noch nie selbst ihre Hand zwei Stunden lang über eine brennende Kerze halten musste (dann hätte sie nämlich gewusst, dass die Kerze mehr Abstand zum nächsten Ast gebraucht hätte).
  2. Der Schmucke: Lametta abpulen ist wirklich nicht schön, also einfach dran lassen. Dann glitzert der Tannenbaumberg am Straßenrand wenigstens.
  3. Der Verklebte: Entweder war der Ort zu zugig, die Kerze schief oder die Dame des Hauses ist zu dicht am Baum vorbeigerannt, als ihr einfiel, dass die Gans bereits viel zu lange im Ofen ist: roter und weißer Kerzenwachs sind die Klassiker, die einen Baum daran hindern, seine Nadeln frühzeitig abzuwerfen. Einfach ordentlich heißen Wachs drüber laufen lassen. Allerdings sollte man dabei auch darauf achten, dass nicht gerade das gute Parkett, der teure Perser-Teppich oder die Katze unter Baum liegt…
  4. Der Verpackte: Mein absolutes Highlight in diesem Jahr. Lediglich die Spitze hatte sich entfalten dürfen und war vom Transport-Netz berfreit worden. Ich habe mir hier spontan vorgestellt, was wohl der Grund für diese Teilverpackung war und konnte mir nicht so richtig vorstellen, dass jemand seinen 1,80m-Baum zu zwei Dritteln im Netz lässt. Sicher, die Kugeln lassen sich auch an das Netz hängen, elektrischen Kerzen ist die (horizontale) Lage egal und auch Lametta lässt sich irgendwie befestigen – aber feierlich ist doch irgendwie anders. Vor allem, wenn oben zwei Ast-Ebenen rausgucken und so Atompilz-gleich für Stimmung sorgen sollen.
    Eventuell sind hier aber auch ernstere Gründe zu erahnen: Beim Öffnen des Transportnetzes schnellte ein Ast hervor und traf den Entpacker so unglücklich, dass dieser das Weihnachtsfest im Krankenhaus verbringen musste und der Baum teilverpackt im Wohnzimmer liegen blieb.
    Vielleicht entbrannte auch ein ehelicher Streit über die Größe des Baumes, in Folge dessen dieser nicht einmal mehr ganz ausgepackt wurde – zur Bescherung übergaben die Anwälte dann die Geschenke.
    Was es auch war: Dieser traurige Rest vom Fest könnte mit Sicherheit eine spannende Geschichte erzählen – wenn er nicht geknebelt abtransportiert und geschreddert worden wäre.

Veröffentlicht in Steinschlag

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