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Ein Hosen-Krieg

Ich bin vermutlich ein recht durschnittlicher Mann: Jedes Kleidungsstück in meinem Schrank wird im Laufe eines Jahres irgendwann mal getragen. Es gibt Dinge die ich regelmäßig trage (Hosen, Hemden, Unterwäsche) und Dinge, die eher selten zum Einsatz kommen (Anzüge, Renovierungsklamotten).

Einzige Ausnahme ist das Kleid, das meine Frau mal irgendwann (vermutlich mehr versehentlich) in meinen Schrank gehängt hat. Das hatte ich noch nie an – und sie seit dem Fehler auch nicht mehr.

Nun hatte ich neulich einen bekleidungstechnischen Notfall (mein Hosenvorrat war auf eine einzelne Jeans zusammengeschrunpft) und so suchte ich, mit dem festen Vorsatz, zwei bis drei neue Hosen in meinen Besitz übergehen zu lassen, das Bekleidungsgeschäft meines Vertrauens auf. Ich studierte eingängig das nahezu Wand-füllende Regal mit den Jeans und versuchte herauszufinden, welche Passformbezeichnung wohl auf meinen Körper passen könnte.

Während ich mir die bebilderte Erläuterung ansah, stellte sich eine Dame gesetzteren Alters neben mich und blätterte prüfend einige Jeans-Stapel durch, als seien sie ein Haufen Tageszeitungen. Kurz darauf trat ein Mann in vergleichbarem Alter neben sie, vermutlich der Gatte, schaute kurz skeptisch zwischen der Dame und den Jeans hin und her und murmelte dann: „Ich mag diese Hosen nicht.“

Er sprach wirklich nicht laut und auch nicht zu mir, aber ich stand keinen Meter entfernt und musste das sich nun folgende Streitgespräch mit anhören, an welchem vermutlich nicht nur Loriot seine helle Freude gehabt hätte.

Sie: „Du brauchst aber noch ein paar Hosen. Ich möchte nicht, dass du jeden Tag die gleichen Hosen trägst.“
Er: „Ja, aber mir reicht das so.“
Sie: „Das sieht doch aber alles gleich aus. Du brauchst unbedingt noch ein par andere Hosen.“
Er: „Ich habe drei Hosen im Schrank, das reicht doch.“

In diesem Augenblick hätte ich ihm gern zugestimmt, aber mein Schamgefühl, diesen Rosen-Krieg – äh, Hosen-Krieg überhaupt mit anhören zu müssen, verhinderte das. Ich kam aber auch leider nicht weg von Ihnen, denn Sie hatten mich zwischen sich, dem Wandregal und weiteren Verkaufsständen eingekeilt und so blieb mir gar nichts weiter übrig, als weiter zuzuhören.

Sie (empört): „Drei Hosen! Ich habe 60 Hosen im Schrank.“
Er (sehr trocken): „60 ist zu viel.“
Sie: „Nein, ist es nicht. Denn ich möchte nicht jeden Tag die gleichen Hosen tragen. Und du ja wohl auch nicht.“

Spätestens hier hätte ich gern eingeworfen, dass das Frühstücksei doch gar nicht viereinhalb Minuten gekocht haben kann. Oder dass die Ente nicht in die Wanne kommt. Alternativ hätte auch ein grinsender Guido Cantz um die Ecke kommen können, um das ganze als seltsamen „Verstehen Sie Spaß“-Streich aufzulösen. Stattdessen ergab sich aber eine Fluchtmöglichkeit und so griff ich mir rasch zwei Hosen und verschwand in Richtung Anprobe.

Ich weiß nicht, ob die beiden letztlich eine Hose gekauft haben. Später standen sie vor einer Wand voller T-Shirts und ich wollte mir lieber nicht vorstellen, wie das Gespräch womöglich in der Unterwäsche-Abteilung weiter gehen würde. („Ich möchte nicht, dass du jeden Tag die gleiche Unterwäsche trägst.“ …)

Veröffentlicht in Steinschlag

Bildquellen

  • Ein Stapel Jeans-Hosen: jarmoluk / Pixabay.com

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