Ein Adventslied von Paul Gerhard beginnt mit der Zeile „Wie soll ich dich empfangen“. Als ich mich für ein Projekt in der Gemeinde mit diesem Lied beschäftigte, blieb ich an dieser ersten Zeile hängen: Wie soll ich dich empfangen?
Besonders auffällig daran fand ich das erste Wort. Es ist ein Fragewort, eines dieser W-Wörter. „Wie“. Bereits in der Grundschule haben wir gelernt, dass man mit dem Wort „wie“ die Eigenschaften eines Objektes bestimmen kann. „Wie-Wörter“ nannten wir diese Eigenschaften damals, später dann professionell Adjektive.
Wie ist das Wetter? – Schön. Regnerisch. Neblig.
Wie groß bist du? – 1,80 Meter.
Wie schnell fährt dein Auto? – Wenn es nach der Lichthupe des Sportwagens hinter mir geht, anscheinend zu langsam.
Wie ist die Hose? – Blau. Oder zu kurz (was noch als Modeerscheinung durchgehen könnte). Oder zu eng (was an zu viel Lebkuchen in der Adventszeit liegen könnte).
Und in diesem Lied stellt sich Paul Gerhard eben die Frage:
Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?
Wie begegnen wir denn Jesus? Meist treffen wir ihn ja doch etwas unerwartet. Da steht er plötzlich neben uns unter der Dusche. Oder besucht uns auf der Arbeit. Oder aber er sitzt neben uns im Gottesdienst – auch das mag für manche Menschen erschreckend sein. Vielleicht läuft er uns auch beim Einkaufen über den Weg. Oder aber er klingelt an unserer Wohnungstür.
Wie begegnen wir Jesus in diesen meist alltäglichen Situationen? Ja, unter der Dusche vermutlich nackt und im Gottesdienst angezogen. Begrüßen wir ihn mit ausgebreiteten Armen wie einen alten Freund? Oder interessieren wir uns plötzlich intensiv unsere Fußspitzen, weil uns in diesem Augenblick klar wird, was für einen Bockmist wir zuletzt produziert haben?
Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?
Paul Gerhard gibt in dem Lied nur bedingt eine Antwort:
O Jesus, Jesu, setze
mir selbst die Fackel bei,
damit, was dich ergötze,
mir kund und wissend sei.
Er möchte, dass sich Jesus über seine Taten und Gedanken freut. Und damit es da was zum Freuen gibt, bittet er Jesus um Unterstützung bei dem Versuch. Er weiß, dass er nur mit Jesu Hilfe der Mensch sein kann, über denn sich Jesus freut.
Das Lied hat insgesamt zehn Strophen. Zehn Strophen voller intensiver Gedanken, Sorgen und Mahnungen. Aber auch voller Freude und großer, unendlicher Hoffnung. In der zehnten Strophe heißt es:
Er kommt zum Weltgerichte:
zum Fluch dem, der ihm flucht,
mit Gnad und süßem Lichte
dem, der ihn liebt und sucht.
Ach komm, ach komm, o Sonne,
und hol uns allzumal
zum ewgen Licht und Wonne
in deinen Freudensaal.
Das oben erwähnte Gemeindeprojekt ist übrigens ein Video-Adventskalender. Hier ist einer meiner Beiträge, in dem ich das Lied auf dem Klavier interpretiert habe.
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