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Langeweile

Montagmorgen. Neun Uhr. Andacht. Wie jede Woche. Vielleicht sitzt ihr mit einem ersten Kaffee vor dem Bildschirm. Vielleicht seid ihr körperlich da, aber gedanklich noch ganz woanders. Vielleicht denkt ihr: Schon wieder Montag. Schon wieder dasselbe.

Und tatsächlich: Die kirchliche Zeitrechnung macht es nicht gerade aufregender. Pfingsten liegt hinter uns. Die großen Feste sind gefeiert. Jetzt beginnt die sogenannte „festlose Zeit“ im Kirchenjahr. 1. Sonntag nach Trinitatis. Nächste Woche: der 2. Sonntag. Dann der 3. Und so weiter. Fast schon stoisch zählt das Kirchenjahr die Wochen durch.

Keine Krippe. Kein Kreuz. Kein Feuer vom Himmel. Nur… Alltag. Kontinuität. Wiederholung.

Wie langweilig. Oder?

Die Abwertung der Langeweile

Langeweile hat bei uns keinen guten Ruf. Wenn etwas langweilig ist, dann ist es schlecht. Ein langweiliges Buch legt man weg. Ein langweiliger Film wird abgebrochen. Ein langweiliges Gespräch… naja, das beendet man höflich – oder innerlich. Wir leben in einer Zeit, die das Spektakuläre sucht. Die sich nach dem Besonderen sehnt. Immer höher, schneller, bunter.
Das Leben soll unterhalten. Und wehe, wenn es das nicht tut.

Auch unsere spirituelle Sehnsucht ist nicht frei davon. Wir wünschen uns berührende Gottesdienste, mitreißende Lieder, inspirierende Predigten. Und wenn das nicht geschieht? Dann bleibt ein schales Gefühl zurück: das war heute irgendwie… leer.

Die Langeweile als geistliche Chance

Aber was wäre, wenn genau darin eine Chance liegt? Was, wenn Langeweile nicht nur Leere ist, sondern Raum?

Ein Raum, der sich nicht von selbst füllt. Den wir nicht sofort kontrollieren können. Ein Raum, in dem wir warten müssen. Aushalten. Offen bleiben.

Alles Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer bleiben können.

Blaise Pascal

Ein starker Satz. Und vielleicht wahr. Wir sind nicht gut im Aushalten. Nicht gut im Bleiben. Nicht gut im Warten.

Und doch – genau das ist der Impuls aus dem 1. Johannesbrief, der Epistellesung vom gestrigen Sonntag:

Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.

1. Johannes 4,16b

Da steht nichts von „spüren“, nichts von „jubeln“, nichts von „bewegen“. Nur: bleiben. Ausharren. Treu sein. Im Vertrauen. Auch – und gerade – wenn es still wird. Wenn es fad wird. Wenn nichts Neues passiert.

Die Spiritualität des Alltags

Die festlose Zeit ist im Grunde eine Einladung zur Spiritualität des Alltags. Denn das Leben besteht eben nicht nur aus Highlights. Die großen Feste – Weihnachten, Ostern, Pfingsten – sie geben dem Jahr Struktur. Aber sie füllen nicht die Tage dazwischen. Die füllen wir. Mit Routinen, mit Arbeit, mit Beziehungen. Mit Treue zum Kleinen.

Und genau dort, im Kleinen, zeigt sich oft das Entscheidende.

Es sind nicht die frommen Sprüche, sondern der stille, tägliche Gehorsam, der Gott gefällt.

Dietrich Bonhoeffer

Stiller, täglicher Gehorsam. Das klingt nicht aufregend. Aber es klingt wahr.

Ein Mensch, der immer wieder für andere da ist. Eine, die sich zuverlässig kümmert. Einer, der zuhört – nicht nur, wenn es spannend ist. Das sind die wahren Zeuginnen und Zeugen der Liebe Gottes.

Bartleby und die Routine

Vielleicht kennt ihr ihn: Bartleby, die stille Figur aus Herman Melvilles Erzählung „Bartleby, der Schreiber“. Ein unscheinbarer Kopist in einer Anwaltskanzlei an der Wall Street. Tag für Tag dieselbe Arbeit: Texte abschreiben. Korrektur lesen. Wieder abschreiben. Keine Ambitionen, kein Ehrgeiz, kaum Regung. Sein berühmtester Satz:

Ich möchte lieber nicht.

In der Oberstufe haben wir diese Geschichte als Theaterstück inszeniert. Ich spielte damals den Vorgesetzten, der zunehmend an Bartleby verzweifelte. An seiner Passivität, seiner Stillheit, seiner unaufgeregten Beharrlichkeit.

Bartleby ist mehr als eine skurrile Figur. Er ist ein Spiegel unserer Angst vor Bedeutungslosigkeit. Vor Stillstand. Vor innerer Leere.

Und doch fordert er uns heraus, nicht vorschnell zu urteilen. Vielleicht liegt gerade in der scheinbaren Monotonie eine Tiefe, die wir nur entdecken, wenn wir nicht ständig nach dem nächsten Reiz suchen. Wenn wir das Aushalten einüben. Wenn wir bleiben – auch ohne Glanz.

Biblische Langeweile

Auch die Bibel kennt solche Zeiten. 40 Jahre Wüstenwanderung. 70 Jahre Exil. Jahre, in denen nichts geschieht – außer: warten, hoffen, bleiben. Gott scheint weit weg. Aber im Rückblick merken viele: Gerade da war Gott da. Gerade im scheinbar Sinnlosen, im Trockenen, im Dazwischen.

Ich harrte des HERRN, und er neigte sich zu mir und hörte mein Schreien.

Psalm 40,2

Harren. Nicht: zwingen. Nicht: ablenken. Nicht: ersetzen. Sondern: warten. Offen sein. Bleiben.

Spirituelles Training

Vielleicht ist die festlose Zeit ein spirituelles Trainingslager. Nicht für die großen Feste, sondern für das Leben selbst. Eine Einladung, das Unscheinbare zu achten. Die kleinen Rituale wertzuschätzen. Die Kontinuität als Kraftquelle zu sehen.

Wenn ihr euch darauf einlasst, merkt ihr vielleicht: Gott ist auch hier.
In der Routine.
Im Büroflur.
Im E-Mail-Postfach.
In der Mittagspause.
Im müden Feierabend.
Denn Gott ist die Liebe. Und die Liebe bleibt.

Einladung zum Bleiben

Darum lade ich euch heute ein:
Bleibt.
Bleibt auch dann, wenn ihr nichts spürt.
Bleibt auch dann, wenn der Sinn nicht sofort da ist.
Bleibt in der Liebe.
Bleibt in Gott.

Nicht weil es spannend ist. Sondern weil es wahr ist. Nicht weil ihr etwas fühlt. Sondern weil ihr gehalten werdet.


Diese Andacht habe ich am 23.06.2025 im Rahmen der Montagsandachten im EKD-Kirchenamt gehalten.


Transparenzhinweis: Der Text auf dieser Seite wurde mit KI-Unterstützung erstellt.

Veröffentlicht in Glaubensimpulse

Bildquellen

  • Langeweile: Magnet.me auf Unsplash

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