Zum Inhalt springen →

Die Kantorei

Als Hobby-Musiker weiß ich: Chöre gibt es wie Sand am Meer. Es gibt gute Chöre, weniger gute Chöre, Frauenchöre, Männerchöre, Oratorienchöre, Shantychöre, Gospelchöre, Opernchöre, Posaunenchöre und Kirchenchöre. Und dann gibt es noch Kantoreien.

Gut, zugegeben: eine Kantorei ist letztlich auch nur ein Kirchenchor. Und doch denkt man bei Kantorei nicht gleich an fünf Damen und zwei Herren, alle schon lange im Rentenalter, die mit Müh und Not einen zweistimmigen Kanon einigermaßen sauber anstimmen können. (Achtung: Das war eine Überspitzung. Es gibt auch sehr viele  gute bis sehr gute Laien-Kirchenchöre.)

Kantorei – das klingt viel edler als die Bezeichnung „Kirchenchor“. Das assoziiert man (aus irgendeinem Grund) gleich mit (semi-) professionellen Auftritten und großen Kirchen.

Dabei könnte sich fast jeder Chor einfach Kantorei nennen – sofern er denn einen Kantor hat. (Vom Wortstamm her bedeutet das lateinische „cantare“ nämlich einfach nur „singen“. Der Kantor ist daher der Vorsänger bzw. der Chorleiter im Gottesdienst.) Macht aber nicht jeder Chor. Warum? Nun, vermutlich aus genau den o.g. Gründen. Denn wenn man durch den Namen etwas assoziiert, was man aber gar nicht ist, dann ist die Enttäuschung beim Publikum groß.

Als ich neulich Abends unterwegs war, da kam mir auf der Straße ein LKW entgegen. Da es bereits dunkel war, sah ich nicht viel außer den Scheinwerfern, einem leuchtenden Schriftzug oberhalt des Führerhauses und den undeutlichen Konturen des Fahrzeugs. Der Gesamteindruck wirkte nicht sonderlich modern und die Buchstaben waren auch nicht mehr komplett ausgeleuchtet, aber ich konnte im Vorbeifahren „Kantorei“ lesen

Sofort schossen mir diverse Gedanken durch den Kopf: Welcher monströse Chor besitzt einen eigenen LKW zum Transport von Noten, Pulten und dem Taktstock des Maestros? Oder handelte es sich schlicht um einen rollenden Probenraum, für den man keine Miete zahlen musste? Vielleicht war es auch nur ein rollendes Reklameschild für ein Konzert? Oder aber die Sängerinnen und Sänger werden auf dem Anhänger durch die Gegend von Auftritt zu Auftritt transportiert – wahlweise liegend oder stehend.

Da ich es nun nicht genau gesehen hatte, werde ich es vermutlich auch nicht mehr rausfinden können. Mir gefiel aber vor allem der Gedanke, dass ein Chor so groß ist, dass er seinen eigenen Fuhrpark besitzt und eine Logistik wie ein Zirkus auf die Beine stellen muss, um sein Können in der ganzen Republik und darüber hinaus präsentieren zu können.

Veröffentlicht in Steinschlag

Bildquellen

  • Chor: Stefan Bayer / pixelio.de

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert