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Brauchen wir einen Wahlkampf?

Demokratie ist toll.

Ich vermute, werter Leser, dass Sie dieser recht allgemeinen Aussage zustimmen werden.

Man kann viel doof finden, zum Beispiel Rosenkohl, Birkenpollen oder Benzinpreise, aber die Demokratie selbst werden die meisten in Deutschland lebenden Menschen wohl nicht generell in Frage stellen. Wohl aber die Auswüchse, die uns dadurch beschert werden.

Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.

Vielleicht würde Winston Churchill 60 Jahre nach diesem Satz heute seine Meinung etwas anders ausdrücken. Natürlich sind alle anderen Regierungsformen wirklich Mist, denn sie ignorieren den Willen der Bevölkerung. Aber heutzutage sind vor allem die Demokratien in West-Europa sehr gefestigt, haben aus den Fehlern des 20. Jahrhunderts gelernt und eben auf diesen Fehlern aufbauend Mechanismen in ihre Verfassungen integriert, die so etwas wie das Dritte Reich wirksam verhindern sollen.

Es gibt eigentlich nur eine Sache, die ich an der Demokratie nicht mag: Wahlkampf.

Aufgrund unseres großartigen föderalen Systems sind leider ständig irgendwo Wahlen, was dazu führt, dass sich Parteien und Politiker auf Bundesebene nahezu durchgängig anzicken und bekriegen. Landes- und Kommunalpolitiker sind da etwas entspannter, aber nicht viel. Jede Äußerung bzw. Amtshandlung der anderen Seite wird nicht einfach nur kritisch und konstruktiv hinterfragt. Nein, in 90% der Fälle ist das Verhalten der gegnerischen Politiker und Parteien erst einmal falsch – auch wenn das Kritisierte womöglich objektiv völlig vernünftig erscheint und ein paar flinke Meinungsforscher auch die entsprechende Stimmung im Land dazu finden.

Wenn wir aber mal überlegen, was zumindest die Aufgabe der gewählten Politiker in den Parlamenten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene ist, wird man schnell zu dem Schluss kommen, dass es eben nicht das Kritisieren der anderen Seite ist, sondern unser Land stetig zu verbessern. Sowohl die zur Regierung zusammengeschlossenen als auch die oppositionellen Fraktionen haben diese Aufgabe. Die Opposition darf natürlich vermehrt die Arbeit der regierenden Fraktionen kritisieren, aber auch das sollte logischerweise konstruktiv geschehen.

Leider sieht die Realität häufig anders aus: Egal, welche Fraktion etwas in das Parlament einbringt, die anderen Fraktionen finden das mit großer Sicherheit doof und stimmen dagegen. Das liegt vor allem daran, dass man es nicht jedem Recht machen kann.

Ein Beispiel: Wenn man auf einen im Sommer gut besuchten Spielplatz gehen und allen Kindern anbieten würde, dass man ihnen ein Eis ausgibt, wenn sie sich nur auf eine Sorte einigen könnten, braucht man vermutlich nicht mal wissen, wo überhaupt der nächste Eisladen ist. Die Kinder werden sich relativ sicher nicht einigen, denn einige wollen unbedingt Schokoladeneis, andere wollen Vanilleeis und wieder andere sind der Ansicht, dass nur ein Fruchteis an heißen Sommertagen die richtige Erfrischung bringt – ob nun aber Zitroneneis, Erdbeereis oder Mangoeis die beste Wahl wäre, ist wieder eine völlig andere Diskussion.

Wenn man den Beruf des gewählten Politikers, egal ob ehren-, neben- oder hauptamtlich, mit einem normalen Arbeitsverhältnis vergleichen würde, dann bekämen viele Politiker nach ca. 70% ihrer Amtszeit diverse Abmahnung, einige müsste sogar fristlos entlassen werden. Denn sie kümmern sich nicht mehr zu 100% um ihren Job als Abgeordneter, Bürgermeister, Minister o.ä., sondern fangen an, in den Wahlkampfmodus umzuschalten, in dem offen und manchmal ohne irgendwelche vernünftigen Gegenargumente oder -vorschläge der politische Gegner kritisiert wird. Warum? Vielleicht, weil sie der Ansicht sind, dass wir Bürger unfähig wären, selbst gute von schlechten Ideen zu unterscheiden und im Vorfeld der nächsten Wahl nicht in der Lage sind, die Arbeit der bislang regierenden Parteien selbst zu bewerten.

Die Politiker, die ihre volle Amtszeit mit all ihrer Arbeitskraft dem widmen, für das ich sie gewählt habe, würde ich sofort wieder wählen. Denn nur dadurch zeigen sie mir, dass sie ihren Auftrag wirklich ernst nehmen und es ihnen nicht nur darum geht, möglichst lange auf Kosten des Steuerzahlers an irgendeiner exponierten gesellschaftlichen Stellung fest zu halten. Sollen Sie den Wahlkampf doch in ihrer Freizeit machen – das haben sie vor ihrer ersten erfolgreichen Wahl ja schließlich auch getan.

Veröffentlicht in Steinschlag

Bildquellen

  • Schriftzug „Dem deutschen Volke“ am Berliner Reichstag: Kamyq / Pixabay.com

2 Kommentare

  1. Peter Peter

    guck mal Sebastian, da kann ich dir am besten Frau Merkel empfehlen, auf die deine Ansprüche zu einem hohen Prozentasatz zutreffen 😉

    • „Hoch“ mag ja sein, aber als Parteivorsitzende wird auch sie sich dem nicht entziehen können – vielleicht nicht öffentlich, aber hinter den Kulissen. Und das vermutlich auch nicht nur ein paar Wochen vor der Bundestagswahl.

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