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Das Problem mit der Prüfung

Kennen Sie das auch, werte Leser? Sie lesen einen Artikel in einer Zeitung oder sehen einen Bericht in einer Nachrichtensendung und denken sich: „Nein, das kann so doch gar nicht stimmen.“

Vor ein paar Jahren waren wir da alle noch relativ entspannt. Da waren Zeitungs-Enten zwar manchmal schwer erkennbar, die Auswirkungen der selbigen hielten sich aber in Grenzen. Selten war mal eine falsche Meldung dafür verantwortlich, dass ganze Staaten in Alarmbereitschaft versetzt wurden. Vor allem nicht in den letzten Jahrzehnten, in denen in Europa Frieden herrscht.

Nun leben wir aber im „postfaktischen Zeitalter“ und sollen plötzlich alle mit „Fake News“ und „alternativen Fakten“ umgehen können. Ja, man kann solche Meldungen durch teils einfache, teils kompliziertere Recherche widerlegen, aber genau da liegt auch das Problem: Wir müssen selbst aktiv werden.

Denn wenn ich die Bedrohung durch falsche Nachrichten und Lügen bekämpfen will, muss ich verschiedene Quellen finden, die das Gegenteil behaupten. Deren Behauptungen muss ich aber auch wiederum prüfen. Und vermutlich finde ich auch Quellen, welche die von mir angezweifelten Aussagen bestätigen. Die Verwirrung wäre damit perfekt.

Jeder, der von sich behauptet, die Aussage einer anderen Person oder Nachrichtenquelle widerlegen zu können, wird seine Beweisführung genau darauf anlegen, dass er nur die Belege anführt, die seine eigene These unterstützen. Somit habe ich zwar mittlerweile zwei Meinungen (die Original-Meldung und die Gegenmeinung dazu), aber wirklich helfen tut mir das nicht.

Häufig ist ja auch nicht die Original-Meldung die erste Nachrichtenquelle, sondern eine andere Quelle berichtet über etwas, das jemand anderes gesagt oder aber eben nicht gesagt hat. So kommt es eben, dass eine US-Regierung behauptet, „die Medien“ würden überhaupt nicht über das „Bowling Green Massaker“ berichten und die Medien müssen erst einmal nachweisen, dass es diesen Anschlag überhaupt nicht gegeben hat.

Wir verbringen also nun nicht mehr nur damit Zeit, Medien zu konsumieren, wir sind vermutlich noch mehr damit beschäftigt, falsche Meldungen zu widerlegen. Was ein Problem ist, wenn die Quelle für die falsche Meldung Ihre Informationen über mehrere Medien streut, so dass der Eindruck entstehen muss, dass die Meldung korrekt sei. Und während alle damit beschäftigt sind, diese eine falsche Meldung zu widerlegen, kann der ursprüngliche Impulsgeber die Verwirrung nutzen und Dinge tun, die sonst größte Aufmerksamkeit bekommen hätten.

Dieses Vorgehen an sich ist nicht neu: Bei großen Sportereignissen wurden auch schon unpopuläre Gesetzesänderungen angestoßen, während die meisten großen Medien dem Sport-Interesse ihrer Konsumenten einen nicht unerheblichen Teil der zur Verfügung stehende Fläche bzw. Sendezeit widmen und somit die Bevölkerung nur am Rande von den politischen Abläufen erfährt.

Neu ist aber, dass Regierungen falsche Meldungen in die Welt setzen, die teilweise sogar recht einfach zu entlarven sind, die Debatte darum mit neuen Äußerungen dazu aber am Leben halten und dabei ganz andere Dinge initiieren können, von denen kaum noch jemand etwas mitbekommt. Dieses Vorgehen ist (leider) genial, weil die meisten Medien darauf eingehen. Nicht, weil sie es selbst unbedingt für richtig halten, sondern weil ja alle anderen Medien auch darüber berichten.

Dennoch: Viele Medien (gerade hier bei uns in Deutschland) gehen meiner Einschätzung nach sehr differenziert mit Meldungen um, bevor diese veröffentlicht werden. Aber auch sie müssen all diese Überprüfungen durchführen, die uns als „Otto Normalverbraucher“ so wahnsinnig viel Zeit kosten. Das geht auf Dauer an die Substanz, denn laufend neue falsche Meldungen entlarven und sich mit immer neuen abstrusen Gedanken auseinander setzen zu müssen, zermürbt vermutlich nicht nur die Bürger sondern auch die Medien.

Was können wir also tun, um falsche Nachrichten zu entlarven? Den gesunden Menschenverstand einsetzen und versuchen, die Meldung zu prüfen, wenn sie uns nicht koscher vorkommt, ist sicherlich ein guter Weg. Mit Freunden und Angehörigen darüber reden und deren Meinungen zu Themen einzuholen hilft auch, denn dieser Personenkreis ist in den meisten Fällen unverdächtig, uns anzulügen. Aber es kostet Zeit, unsere Zeit um genau zu sein. Und wir müssen leider bereit sein, diese Zeit zu investieren.

Tun wir das nicht und glauben einfach alles, was uns in unserer (teils unfreiwillig) selbst geschaffenen Filterblase erzählt wird, dann kann sehr schnell ein recht einseitiges Weltbild entstehen, in dem zum Beispiel andere Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Religion beschuldigt werden, kollektiv für einen Missstand verantwortlich zu sein. In Teilen des 20. Jahrhunderts war so eine Überprüfung sicherlich deutlich komplizierter als heute, aber wir Menschen des 21. Jahrhunderts sollten wissen, wohin das führen kann.

Veröffentlicht in Steinschlag

Bildquellen

  • Zeitungen: Pexels / pixabay.com

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